Heinsberg wird zu einem Vorreiter bei kommunaler Energieverteilung
Die RWTH Aachen und die Universität Duisburg-Essen erarbeiten mit Heinsberg und Roetgen innovative Konzepte zur Nutzung von Überschussstrom. Ein spannendes Modell für die Zukunft.
Beim Projekt NEKOM dreht sich alles um das Thema Energie, speziell Strom, die Gewinnung, Speicherung und Verteilung.
Ein Artikel der Aachener Zeitung – Leiter der Lokalredaktion Heinsberg Rainer Herwartz
Die Städte Heinsberg und Roetgen in der Eifel sind die einzigen Kommunen in der Aachener Region, die an einem wegweisenden Projekt für die Energieverteilung der Zukunft teilnehmen. Das Projekt, bei dem die RWTH Aachen und die Universität Duisburg-Essen federführend sind, trägt den Namen NEKOM, was abgekürzt so viel bedeutet wie Nachhaltige Speicher- und Energieverteilungssysteme in kleineren und mittleren Kommunen unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Akzeptanz der Energiewende. Das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen und die Zukunftsagentur Rheinisches Revier haben dafür eine Million Euro lockergemacht.
„Die Stadt Heinsberg wurde seitens der RWTH Aachen, dem Lehrstuhl für Städtebau und Entwerfen, gefragt, ob sie als Musterkommune an dem Projekt teilnehmen möchte“, sagt Heinsbergs Bürgermeister Kai Louis. „Ziel dieses Projektes ist die Entwicklung von Konzepten zur Nutzung von Überschussstrom, insbesondere in ländlichen Gebieten und kleineren Städten.“ Überschüssiger Strom aus Wind- und Sonnenenergie soll in Zukunft gespeichert werden, um ihn zu einem späteren Zeitpunkt zu nutzen. Der Grundgedanke hinter NEKOM: Jahrzehntelang wurde Strom vor allem zentralisiert in Großkraftwerken gewonnen. Mit der Energiewende verlagert sich die Produktion von Energie in den ländlichen Raum, denn dort gibt es die nötigen Flächen für Windkraft- und Photovoltaikanlagen.
Ziel dieses Projektes ist die Entwicklung von Konzepten zur Nutzung von Überschussstrom, insbesondere in ländlichen Gebieten und kleineren Städten.
Kai Louis
Bürgermeister von Heinsberg
Umweltfreundliche Energieerzeugung sei dezentral. Dafür müsse die Infrastruktur der Städte und Gemeinden angepasst werden. Das Projekt NEKOM analysiert nun, wie Erneuerbare Energien in Kommunen gespeichert und verteilt werden können. Dabei stellt das Projekt die Frage, wie Energiespeicher baulich in das Stadtbild integriert werden und welchen zusätzlichen Nutzen sie Bürgerinnen und Bürgern bieten können. Damit die Menschen vor Ort die Veränderungen in ihrem Umfeld auch als positiv erkennen, wird die Frage nach möglichen Akzeptanzproblemen im Projekt mitgedacht. Welche Maßnahmen für innovative Speicher- und Verteilungssysteme stoßen auf Akzeptanz und welche nicht? Wie kann die Akzeptanz, wenn nötig, erhöht werden?
Alliander ist der Netzbetreiber in Heinsberg, der mit der RWTH Aachen Beispiel-Konzepte als eventuelle Blaupause auch für andere Kommunen entwickeln wird.
In Zusammenarbeit mit den für die Stromversorgung zuständigen Unternehmen in den teilnehmenden Kommunen – in Heinsberg ist dies die Firma Alliander – entwickelt die RWTH Aachen Beispiel-Konzepte, die individuelle Herausforderungen berücksichtigen. Zu Beginn muss dabei geklärt werden, wo ein Überschuss an Strom und Wärme entsteht und wo dieser sinnvoll eingesetzt werden kann. Welche strukturellen und räumlichen Voraussetzungen bringen die Kommunen mit und welche Speichersysteme sind vor diesem Hintergrund für sie geeignet? Wenn der Wind weht und die Sonne scheint, obwohl gerade kaum Strom verbraucht wird, identifiziert NEKOM Nutzungspfade, um den Strom zu wandeln und zu einem späteren Zeitpunkt nutzen zu können.
„Ein typischer Anwendungsfall ist die Einbindung von Batteriespeichern und Photovoltaikanlagen auf Hausdächern in Verbindung mit einem Elektroauto“, hat Louis sich schon schlau gemacht. „In der Mittagszeit produziert die PV-Anlage Strom, der in der Batterie zwischengespeichert wird. Während die Wallbox den Strom speichert, ist das E-Auto unterwegs. Wenn der Fahrer oder die Fahrerin abends wieder nach Hause kommt, dient der gespeicherte Strom zum Laden des E-Autos. So wird der überschüssige Strom genutzt und das Stromnetz entlastet.“ Ein anderes Beispiel sei die Umwandlung elektrischer Energie in Wärme oder Gas. Zur Mittagszeit, in der die Stromerzeugung aus Photovoltaikanlagen hoch und der Strombedarf eher gering sei, werde überschüssiger Strom durch Elektrolyse in Wasserstoff oder durch Wärmepumpen in Wärme umgewandelt. „Die so gespeicherte Energie kann nach Bedarf später zum Heizen oder als Prozesswärme von der Industrie und den Haushalten genutzt werden.“ Der Hintergrund sei: Gas und Wärme könnten einfacher gespeichert werden als elektrische Energie. Die Nutzung wäre dann zu einem späteren Zeitpunkt leichter möglich.
Das Ergebnis der Untersuchungen im Rahmen von NEKOM sind konkrete Handlungsempfehlungen. Ein Leitfaden soll im Idealfall auch für andere interessierte Kommunen Anregungen bieten. So sollen diese in die Lage versetzt werden, niederschwellig ihre Potenziale und Möglichkeiten zu erkennen und selbst aktiv zu werden. „Die Stadt sowie die Alliander Netz Heinsberg sehen großes Potenzial in den Projektergebnissen“, meint Louis. Eine effiziente Auslegung und Platzierung von Energiespeichern könnte dazu beitragen, den notwendigen Netzausbau lokal zu reduzieren und gleichzeitig eine hohe Versorgungsqualität zu gewährleisten. „Eine frühzeitige Berücksichtigung der Speicher-Infrastruktur stellt einen Mehrwert für die Stadt Heinsberg im Rahmen der Stadtplanung dar.“